Opferentschädigung: Leiden muss unmittelbare Folge der Tat sein
Die Angehörigen einer ermordeten Person erhalten keine Opferentschädigung, wenn Erkrankungen nicht unmittelbare Folge der Todesnachricht sind.
Eine entsprechende Unterstützung begehrte aber die Mutter einer im Jahr 2006 ermordeten Tochter. Bereits vor der Tat litt sie unter leichten Depressionen und musste nach dem Erhalt der Nachricht durch einen Notarzt und im weiteren Tagesverlauf durch ihren Hausarzt behandelt werden. Im Prozess gegen den Täter, den Freund des Opfers, trat die Mutter als Nebenklägerin auf und erfuhr so weitere schreckliche Details des Geschehens. Ihre leichte Depression entwickelte zu einer ausgewachsenen chronischen Verstimmung. Nach der Ermordung beschäftigte sie sich nur noch mit der Grabpflege und dem Tod ihrer Tochter. Einen Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung nach dem Opferentschädigungsgesetz lehnte das Gericht trotzdem ab.
Ein solcher Anspruch besteht demnach nur, wenn die Erkrankung eine unmittelbare Folge der Tat ist. Vorliegend käme ein sogenannter Schockschaden der Mutter infolge der Todesnachricht in Betracht. Ein solcher setzt aber einen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang voraus, Gewalttat und Auswirkungen auf das "Sekundäropfer" müssen quasi eine Einheit bilden. Das war nach der Meinung eines Sachverständigen vorliegend aber nicht gegeben. Vielmehr beruhte die Erkrankung auf den erheblich veränderten Lebensumständen der Betroffenen, nicht aber direkt auf dem Mord. Ein Anspruch der Mutter auf Opferentschädigung war somit abzulehnen.
Zu der Frage, ob ein unmittelbarer Zusammenhang noch gegeben ist wenn die Erkrankung auf den im Prozess erhaltenen Informationen beruht, hat sich das Gericht nicht geäußert.
Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil LSG NI L 10 VE 56 10 vom 28.06.2012
Normen: § 1 OEG