Rechtsstaat in Europa

Anwaltsgespräche mit dem Mandanten dürfen aufgezeichnet und deren Inhalte in anderen Verfahren verwendet werden.

In dem zugrundeliegenden Fall wurden die Telefone des Mandanten wegen des Verdachts des Imports von mit BSE infizierten Rindfleisch abgehört. Während eines Gesprächs mit seiner französischen Anwältin äußerte diese sich über Gespräche mit Dritten, die sie in der Haft besucht habe. Durch diese Äußerungen wurde die Anwältin wegen der Verletzung der französischen Strafprozessordnung und des Berufsgeheimnisses verdächtigt. In dem daraufhin eingeleiteten Disziplinarverfahren wurde das transkribierte Gespräch mit dem Mandanten verwendet. Dies sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als rechtmäßig an und verneint eine Verletzung von Art. 8 EMRK, da die Anwältin hätte wissen können, dass die Telefongespräche überwacht werden. Da die Aufzeichnung der Gespräche nicht im Rahmen der Ausübung der Beschuldigtenrechte erfolgt sei, verletze sie diese auch nicht.

Die Entscheidung ist bedenklich und bedeutet eine weitere Aufweichung rechtsstaatlicher Prinzipien. Bereits 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 2094/05) klargestellt, dass das Abhören von Telefongesprächen zwischen Anwalt und Mandanten unzulässig sei. In dem damals entschiedenen Fall war die Überwachung des Anwalts angeordnet worden, um den Aufenthaltsort des eines schweren Raubes verdächtigen Mandanten zu ermitteln. Dass Ermittlungsbehörden seit langem auch entgegen bestehender Rechtslage Anwälte abhören, ist jedoch so bekannt, dass nunmehr auch der EGMR unverblümt darauf hinweist, dass die französische Anwältin das doch hätte wissen müssen.
 
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil EGMR 49176 11 vom 16.06.2016
Normen: Art. 8 EMRK
[bns]
 
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